BV Holterhöfe – ein eigener Bürgerverein

Warum die Holterhöfer  (vielleicht doch) einen eigenen Bürgerverein brauchen

Im Jahr 2012 war es 80 Jahre her, dass das erste Wohnhaus im Bereich der späteren Siedlung Holterhöfe bezogen wurde – ein Anlass, einen Blick zurück auf  den Charakter und die historische Entwicklung dieses südwestlichen Teils von Forstwald zu werfen und dabei auch auf die Frage einzugehen, ob und warum die Holterhöfer einen eigeen Bürgerverein brauchen.
Nachdem es nämlich eine Zeitlang so ausgesehen hatte, als könnte ein Zusammenschluss mit dem direkt benachbarten Bürgerverein Forstwald beschlossen werden, dem bereits einige Holterhöfer angehören, entschieden sich die Mitglieder des Bürgervereins Holterhöfe auf der Jahreshauptversammlung 2011 mit überwiegender Mehrheit für den Erhalt ihrer Eigenständigkeit.

Der Gedanke einer Fusion der beiden Bürgervereine erschien manchem insofern gerechtfertigt, als es Holterhöfe in politisch-administrativer Hinsicht eigentlich gar nicht gibt. Das Krefelder Stadtgebiet ist in neun Stadtbezirke eingeteilt, die wiederum in 19 Stadtteile und 45 statistische Bezirke gegliedert sind. Holterhöfe ist – auch wenn das in Krefeld  wohl einmalige Ortseingangsschild mit der dicken Aufschrift „Holterhöfe“ über dem kleiner gedruckten „Stadt Krefeld“ das Gegenteil suggeriert  – nichts davon, sondern es bildet lediglich eine Siedlung im Bereich des statistischen Bezirks 071 „Forstwald“, der mit dem gleichnamigen Stadtteil 070 zusammenfällt. Auch sonst verfügt das nur gut als 1km² umfassende Gebiet über keinerlei eigene Institutionen – kirchlich sind die Holterhöfer der katholischen Pfarre Maria Waldrast und der evangelischen Johanneskirche auf der nördlichen Seite des Forstwaldes zugeordnet, für die Holterhöfer Grundschüler ist die Forswaldschule zuständig; es gibt kein Vereinsleben außerhalb des Bürgervereins, es gibt keine Geschäfte, keine Kneipen und keine Restaurants – wenn man von einer Gärtnerei, einem Blumenladen sowie dem Delikatessen-Lokal „In Vino Veritas“ absieht, die aber allesamt auf der Willicher Stadtgebiet liegen, von dem sich die Krefelder Holterhöfer vor gut 40 Jahren „abgespalten“ haben.

Wenn sich die Mitglieder des Bürgervereins Holterhöfe im vergangenen Jahr dennoch entschieden haben, an der Existenz des eigenen Vereins festzuhalten, so ist dies wohl vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: Der eine ist die Randlage innerhalb der Stadt Krefeld und des Stadtteils Forstwald, dessen Bevölkerung zum größten Teil verkehrstechnisch völlig anders angebunden ist als die gut  800 Bewohner von Holterhöfe, von denen viele Befürchtung hegen, dass ihre besonderen Interessen von der Mehrheit nicht hinreichend wahrgenommen werden und in einem gemeinsamen Bürgerverein in Vergessenheit geraten könnten.

Der zweite Faktor ist die besondere Geschichte:

Während das Gebiet nördlich des heutigen Forstwaldes bis weit ins 19. Jahrhundert unbewohnt war und später, obwohl auf  Vorster Gebiet gelegen, ein Sonntagsrefugium und eine Sommerfrische der Krefelder bildete, dann 1929 auch in die Seidenstadt eingemeindet wurde, gehörte das Gebiet Holterhöfe seit dem Mittelalter zum Einzugsbereich der Gemeinde Willich. Und schon im 13. Jahrhundert waren hier auf verschiedenen Höfen, von den denen einige ursprünglich einer Familie Holter gehörten, Bauern ansässig.[1]

Abseits der ursprünglichen  Holterhöfer Besiedlung entstand im 20. Jahrhundert um die heutige Anrather Straße herum das moderne Wohngebiet Holterhöfe, dessen erste ständige Bewohner im Jahre 1932 hier ihren Wohnsitz nahmen. Zwar hatte bereits in den zwanziger Jahren östlich der heutigen Straße „Am Rotdorn“ der Bauer Heinrich Schabrucker, dessen Hof an der Anrather Str. 610 von den belgischen Besatzungstruppen beschlagnahmt war, eine kleine provisorische Behausung gehabt, doch hatte er diese bald nach dem Abzug der Belgier wieder aufgegeben – auch deshalb, weil das karge mit Kiefern und Gestrüpp bewachsene Heideland landwirtschaftlichnwenig ertragreich war.
Die ersten Siedler in Holterhöfe wurden dann Josef See, der an der heutigen Anrather Straße in der Nähe der Einmündung der Straße „An der Pappel“ in Eigenarbeit ein Haus baute, sowie seine Frau und seine Kinder. Die Anfänge der Sees in Holterhöfe und den ersten Bau eines Wohnhauses schilderte die im vergangenen Jahr verstorbene langjährige Vorsitzende des Bürgervereins Holterhöfe Ursula Völkel in der fünften Ausgabe des „Forstwald“ aus dem Jahre 1976 folgendermaßen:

„Möglichst weit weg von der Gladbacher Landstraße wollte Josef See im Frühjahr 1932 sein Häuschen bauen. […] Mit dem Fahrrad kam er mit seinen Söhnen abends nach der Arbeit auf der kaum drei Meter breiten Schotterstraße von Linn aus gefahren, denn selbstverständlich wurde alles in Eigenarbeit hergestellt. Dabei begegnete ihnen gelegentlich noch der Straßenwärter Nagel mit der Schubkarre, bemüht, die Schlaglöcher mit Sand, Kies oder `Krüsch´ (mit Erde und Stein vermischte Grasreste vom Straßenrand) auszubessern. Sein Arbeitstag war lang, denn er war der einzige Straßenarbeiter weit und breit.

Sobald es dämmerte, begann der Anflug der Fasanen in einen schmalen Streifen hoher Kiefern, der sich unweit vom Anrather Weg bis zur Landwehr hinzog. Zu Hunderten kamen sie aus allen Richtungen, um hier zu übernachten, und es dauerte jedesmal lange, bis jedes Tierchen sich seinen Ruheplatz erstritten hatte. Die See-Jungen versuchten oft, den damals mageren Fleischtopf der Familie mit einem Braten zu bereichern, doch das war nicht einfach. Die glatten Stämme zu erklettern gelang ebenso wenig wie das `Herunterpicken´mit einer langen Stange. Höchstens, daß die Fasanen mit ohrenbetäubendem Getöse protestierend aufflogen und der Platzstreit von neuem begann. Die Familie See, so fleißig sie auch war, kam nicht recht vorwärts. Als erste Ansiedler in diesem Stück `Willicher Heide´ wurden sie immer wieder von allem, was nicht niet- und nagelfest war, erleichtert. Im Herbst 32 zog man deshalb in den blanken Betonbau.“[2]

Mit dem Einzug der Familie See, der bald weitere wie z.B. die Familien Roball, Boscher, Stübben, Schuchardt, Schüller, Paters und Hamm folgten, begann aus der bloßen Flurbezeichnung „Holterhöfe“ eine Siedlung zu werden. Das Land, auf dem sie ihre Häuser bauten, ging größtenteils aus dem 21ha umfassenden Besitz von Dr. Josef Schümmer hervor, der 1928 verstorben war. Schümmers Schwiegersohn Friedrich Roball war es, der in schwierigen Verhandlungen mit den Behörden in Willich und der damaligen Kreisstadt Kempen die Genehmigung eines Siedlungsplans erwirkte, den der Architekt Carl Hitschler entworfen hatte.

In den ersten Jahren entwickelte sich das neue Wohngebiet recht schnell, bis 1936 wurden die heutigen Straßen „Zu den Tannen“, „An der Pappel“, „Am Rotdorn“ und der Heckenrosenweg angelegt und ab 1933 war das erste Haus an das Stromnetz angeschlossen. 1936 verhängte die Gemeinde Willich einen Baustopp, der nach den Klagen von  Holterhöfer Bürgern aber zwei Jahre später gerichtlich wieder aufgehoben wurde. Das Gefühl, dass man seine Interessen am besten selber in die Hand nehme, dass sich die Behörden für die weit draußen abseits aller Ortschaften gelegene Siedlung nicht interessierten, hat die Holterhöfer sehr geprägt. Seit den fünfziger Jahren gab es als Organisation der bürgerschaftlichen Selbsthilfe die „Gesellschaft Holterhöfe“, die nach und nach die grundlegenden Elemente einer zeitgemäßen Infrastruktur erstritt (Regelung der Müllabfuhr, Straßennamen, Anlage von Feuerlöschbrunnen, Anbringung eines Briefkastens, Aufstellung von Ortsschildern, Straßenbeleuchtung, Verlegung einer Wasserleitung, die das Gebiet von Anrath aus versorgte).

Zum Bruch mit der Gemeinde Willich kam es dann Ende der sechziger Jahre wegen der Frage der Kanalisation, Holterhöfe war nicht an das Kanalnetz angeschlossen, ein Teil der Bewohner musste die Abwässer in regelmäßigen Abständen aus geschlossenen Gruben auspumpen und abfahren lassen, andere durften sie versickern lassen, was bei mehreren Hundert Einwohnern nicht ohne ein hygienisches Risiko bleiben konnte. Nachdem in der Frage des Kanalanschlusses über Jahre hinweg alle Gespräche mit der Gemeinde Willich gescheitert waren und Gemeindedirektor Krewinkel als Verwaltungschef schließlich ausdrücklich erklärt hatte, dass an einen Kanalbau in Holterhöfe auch weiterhin nicht gedacht würde, entschlossen sich die Bewohner der Siedlung, die mittlerweile durch eine Interessengemeinschaft vertreten wurden, zum Handeln – und zum Antrag auf eine Umgemeindung nach Krefeld, der im Frühjahr/Sommer 1968 brieflich dem Krefelder Oberbürgermeister und der für Fragen der kommunalen Neugliederung zuständigen Kommission beim Düsseldorfer Regierungspräsidenten zugeleitet wurde.

Die Holterhöfer Interessengemeinschaft begründete den Wunsch nach einer Änderung der kommunalen Zugehörigkeit nicht nur mit der Kanalisation, sondern auch damit, dass die Anwohner in jeder Hinsicht nach Krefeld orientiert seien: dort befänden sich die Arbeitsplätze der Holterhöfer, die überwiegend beim Edelstahlwerk beschäftigt waren, dort gingen die 90 Holterhöfer Kinder zur Schule, dort würde eingekauft; sämtliche sportliche Aktivitäten seien ebenfalls nur auf Krefelder Boden möglich, zudem seien die ÖPNV-Verbindungen nach  Krefeld wesentlich besser als diejenigen nach Willich oder in die Kreisstadt Kempen – beide Orte seien von Holterhöfe mit Bus und Bahn überhaupt nur von Krefeld aus erreichbar. All das lasse eine Angliederung an die große Nachbarschaft als wesentlich sinnvoller erscheinen als der Verbleib bei Willich.[3]

Krefeld hatte seinerseits ein lebhaftes Interesse an einem Gebietszuwachs im Südwesten, weil der größte Grundstücksbesitzer im Bereich Holterhöfe das Edelstahlwerk war, das hier Bauflächen für seine Mitarbeiter erschließen wollte und weiter östlich auf der Anrather Straße nach Erweiterungsmöglichkeiten für sein Betriebsgelände suchte[4].

Die Gemeinde Willich, die vor dem Zusammenschluss mit Anrath, Neersen und Schiefbahn stand, nahm die Abspaltungswünsche aus Holterhöfe allerdings nicht widerstandslos hin und verwies darauf, dass ein Teil der Anwohner keineswegs einen Wechsel der kommunalen Zugehörigkeit wünsche. Es folgten mehrere Monate Verhandlungen zwischen der Interessengemeinschaft, der Gemeinde Willich, dem Kreis Kempen-Krefeld, der Stadt Krefeld und der Bezirksregierung und den politischen Gremien im Land, bis am 18.12.1969 der Landtag NRW das „Gesetz zur Neugliederung des Kreises Kempen-Krefeld und der Stadt Krefeld“ verabschiedet wurde, das am 01.10.1970 in Kraft trat und den Anschluss der Siedlung Holterhöfe an die Stadt Krefeld brachte. Oberbürgermeister Hauser begrüßte die Neu-Krefelder mit den Worten: „Diese sinnvolle Entscheidung hat in Krefeld allgemein Beifall gefunden, da die Holterhöfer de facto längst zu unserer städtischen Lebensgemeinschaft gehören.“[5]

Die Umgemeindung betraf übrigens nur die ab 1932 entstandene Siedlung, während die alten Bauernhöfe der Holterhöfer Flur, die sich von Krefeld aus gesehen jenseits des Heckenrosenweges zwischen Gladbacher bzw. Aachener und Anrather Straße erstrecken, bei Willich verblieben. Der Anschluss an Krefeld bedeutete einen wichtigen Erfolg für die Bewohner der Siedlung, die sich damit einmal mehr die Durchsetzung ihrer Interessen selber erkämpft hatten.

Vielleicht ist es das aus dieser Geschichte in acht Jahrzehnten gewachsene Selbstbewusstsein, das den Wunsch vieler Holterhöfer nach einem eigenen Bürgerverein bis heute trägt – eines Bürgervereins übrigens, der mit rund 90 Mitgliedern verteil auf nur gut 350 Haushalte eine der  größten Organisationsdichten aller Krefelder Bürgervereine aufweist.

Patrick Albrecht
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[1]Näheres bei Zipp, Günter: Die alten Holterhöfe. In: Der Forstwald 21/1992, S.14-22, S. 16f

[2]Völkel, Ursula: Als Holterhöfe noch „Willicher Heide“ war. In: Der Forstwald 5/1976 [ohne Seitenangabe]

[3]Dr. Steffens, Hermann: Bartsch, Walter: Geschichte der Holterhöfe. Die Eingemeindung des Ortsteils Holterhöfe nach Krefeld. In: Der Forstwald 18/1989, [ohne Seitenangabe]

[4]Dr. Vogt, Josef: Geschichte der Holterhöfe. Die Entwicklung der Krefelder Stadtgrenze im Süden. In: Der Forstwald 18/1989, [ohne Seitenangabe]

[5]Zitiert nach Steffens (wie Anm. 4)